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Kontrolle ist gut, Vertrauen ist menschlicher
Foto: iStock.com/Yuri_Arcurs

Vertrauen
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist menschlicher

Mit diesen Worten konterkariert Gerald Dunkl, ein österreichischer Psychologe und Aphoristiker, einen oft zitierten Satz, den man Lenin zuschreibt: «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.» Wer von beiden hat Recht?

Dr. Karl-Heinz Oberwinkler
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Villach, A

Ich meine: Lenin, der leider durchaus zur Unterdrückung menschlicher Regungen und gerade deshalb zur Unterdrückung anderer Menschen fähig war, hat übersehen, wie sehr das Vertrauen ein menschlicher Zug ist. Etwas, was uns im positiven Sinn des Wortes «menschlich» macht.

Vertrauen ist Leben, Leben ist Vertrauen

Der Duden definiert «Vertrauen» als «festes Überzeugtsein von der Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit einer Person oder Sache». Vor diesem Hintergrund: Ist Ihnen eigentlich bewusst, wie sehr wir in unserem Alltag vertrauen, ja oft geradezu blind vertrauen, und wie sehr unser Leben, uns vielfach unbewusst, «auf Vertrauen gebaut» ist?

Als Arzt staune ich immer wieder, wie sehr und wie selbstverständlich Patienten uns vertrauen, vor allem bei Operationen. Sie lassen sich dabei narkotisieren, was bedeutet, dass sie völlig die Kontrolle über ihr Leben verlieren und in die Hände anderer Menschen geben. Ohne zu wissen, ob sie je wieder aufwachen werden, ohne irgendetwas beeinflussen zu können, lassen sie jemanden an sich «herumschneiden». Sie vertrauen. Zu Recht, weil die Komplikationsrate an unserer Abteilung (und generell) unter 0,5 Prozent liegt. Oder zu Unrecht, weil der, den die Komplikation trifft, dann zu 100 Prozent betroffen ist.

Hin und zurück lege ich auf meinem Arbeitsweg täglich etwa 80 Kilometer mit der Eisenbahn zurück. Dabei vertraue ich, ohne mir darüber Gedanken zu machen, darauf, dass der Lokführer kein Signal übersieht und die Geschwindigkeitsvorgaben einhält, dass die Bahnzentrale alle Weichen richtig stellt und den Zug so leitet, dass er mit keinem anderen zusammenstößt. Kurzum, dass man mich sicher und pünktlich an das richtige Ziel bringt. Mein Vertrauen ist so groß, dass ich beruhigt schlafen oder lesen kann. Zu Recht, weil zum Beispiel in Deutschland zwischen 2005 und 2009 von 2249 Milliarden beförderten Personen nur 599 von einem Eisenbahnunglück betroffen waren, das sind 0,0000000266 Prozent. Oder zu Unrecht, weil drei der 599 eben tot waren.

Im Straßenverkehr gilt der «Vertrauensgrundsatz». Ich darf als Autofahrer darauf vertrauen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer die Regeln kennen und beachten. Deshalb fahre ich, und fahren wohl auch Sie Auto, ohne dabei ständig Angst zu haben. Zu Recht, weil (ich verwende wieder obige Statistik) von 54293 Milliarden per Auto beförderter Personen nur 237189 nicht sicher ankamen. Oder zu Unrecht, weil man eben auch zu den 2524 tödlich Verunglückten gehört haben könnte.

Vor mehr als einem Jahr habe ich in meinem Haus eine neue Heizung installieren lassen. Nach viel Information über die verschiedenen Möglichkeiten (jede Firma hat naturgemäß ihr Produkt als das beste angepriesen) habe ich mich nach langem Überlegen für eine Luftwärmepumpe entschieden. Auch dabei musste ich vertrauen: Den Angaben der Hersteller, der Lieferfirma, dem Heizungsmonteur. Zu Recht, denn ich bin mit der Anlage sehr zufrieden. Aber auch ein wenig zu Unrecht, denn eine der Außenanlagen wurde nicht ganz auf dem richtigen Platz aufgestellt und musste nachträglich versetzt werden.

 

 

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