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Mythos Multitasking
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Mythos Multitasking

Christof Sommersguter
Redakteur, Student, Lehramt Deutsch, Psychologie und Philosophie
Salzburg, A

Frauen können besser «multitasken» und Männer besser einparken. Das sind wohl zwei der gängigsten Geschlechter-Klischees. Dabei habe ich z. B. eine junge Mutter vor Augen, die, während sie ihrem Nachwuchs das Fläschchen reicht, gleichzeitig einen Arzttermin vereinbart und die Wäsche aufhängt. Wenn sie dann später während des Einparkens vor der Arztpraxis und gleichzeitigen Telefonierens mit ihrem Mann via Freisprecheinrichtung den Bordstein anfährt, ist am anderen Ende der Leitung nur ein leises «typisch!» zu hören. So überspitzt diese Klischees auch sein mögen, führen sie uns doch zum Kernproblem: Um in beiden Situationen erfolgreich zu sein, hätte die junge Mutter ihre Aufmerksamkeit aktiv lenken müssen. Denn dass Menschen tatsächlich mehrere Dinge gleichzeitig machen können, ist nur einer von mehreren Mythen, die ich in diesem Artikel widerlegen möchte. Einen besonderen Schwerpunkt werde ich dabei auf die Auswirkungen der Mediennutzung auf unsere Aufmerksamkeitssteuerung legen.


Mythos 1 – Menschen können zwei Dinge gleichzeitig tun

Menschen können miteinander sprechen, während sie spazieren, und eine Gabel bedienen, während sie kauen. Diese Vorgänge sind automatisiert und bedürfen keines genaueren Nachdenkens. Menschen ist es aber unmöglich, sich einerseits auf ein intensives Gespräch mit dem Partner einzulassen und währenddessen ein Buch zu lesen. In einer solchen Situation hätte unser Gegenüber mit Sicherheit das Gefühl, dass wir ihm nicht unsere ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. In der Wissenschaft beschreibt man dieses Phänomen mit der Flaschenhals-Theorie. Den Ort, an dem die Reize des Gesprächs und des Lesens in unserem Gehirn verarbeitet werden, können wir uns wie die Verjüngung eines Flaschenhalses vorstellen, durch den immer nur Reize für eine einzige Aufgabe gleichzeitig durchpassen. Möchten wir uns also gleichzeitig auf das Gespräch und das Lesen konzentrieren, müssen wir unsere Aufmerksamkeit in schnell abwechselnder Folge einmal auf die eine und dann wieder die andere Aufgabe richten. So gesehen, sind wir gar nicht des Multitaskings, sondern nur des raschen Aufmerksamkeitswechsels fähig.


Mythos 2 – Wer ­multitaskt, kann mehr Aufgaben in kürzerer Zeit erledigen

Der schnelle Wechsel zwischen der Verarbeitung von Reizen zweier Aufgaben bringt auch einige Kosten mit sich. Für den Wechsel benötigt das Gehirn etwas Zeit, um sich umzustellen. Untersuchungen des Gehirns haben gezeigt, dass bei jedem Wechsel zusätzliche Areale zu den regulären Verarbeitungsarealen im Gehirn aktiviert werden. Das deutet darauf hin, dass mit den häufigen Wechseln auch mehr Energie und somit potentielle Aufmerksamkeit verbraucht wird. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder neue Erkenntnisse gewonnen: Während noch vor zehn Jahren Wissenschaftler davon ausgingen, dass sich dieser Multitasking-Vorgang trainieren lässt, stellte eine Forschergruppe im vergangenen Jahr fest, dass sogar Vierjährige einen gleich großen «Flaschenhals» wie Erwachsene und auch dieselben «Wechsel-Kosten» haben.

 

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